Anspruchsvoll gestaltet und komfortabel ab Baubeginn Ihren Ursprung hat die „Villa“ im römischen Reich, als sie ein vornehmes Herrenhaus auf…

Marcel Breuer prägt die Villa Harnischmacher II
14. Juni 2017Stahlrohr, Licht und klare Linien
Mitten in Wiesbaden findet man ein Juwel der Nachkriegszeit vor: Das einzige noch existierende von Architekten-Legende Marcel Breuer entworfene Wohnhaus in Deutschland: die Villa Harnischmacher II. Bereits 1929 entwarf Marcel Breuer das erste Wohnhaus der Familie Harnischmacher, welches jedoch im zweiten Weltkrieg zerstört wurde. 1953 wurde Breuer von dieser Familie erneut beauftragt, in den Garten der ersten Villa einen Bungalow zu bauen, welcher 1955 fertiggestellt wurde und bereits ein Jahr darauf vom Bund deutscher Architekten ausgezeichnet wurde. Die jetzigen Bewohner des Marcel Breuer-Hauses in den Jahren 2011 bis 2014 die Villa renovieren und in Zusammenarbeit mit der Firma Thonet einrichten.
Harmonie durch schlichte Eleganz
Marcel Breuer gilt als der Erfinder des modernen Stahlrohrmöbels, die er unter anderem auch für das Frankfurter Unternehmen Thonet entwarf. Das spiegelt sich auch in der Optik der Innengestaltung der Villa wider: Freischwingende Leuchten, über zehn Thonet-Möbelstücke und ein offener heller Essbereich prägen das Erscheinungsbild und schaffen eine harmonische Kombination von Funktionalität und Eleganz. Der lange Holztisch (S 1071) gilt als Klassiker von Marcel Breuer und wird von acht Freischwinger-Sesseln S 64 der Kollektion „Pure Materials“) umrahmt.
Grundriss in Marmor
Im Wohnbereich sticht sofort das Marcel-Breuer Loungesofa S 35 ins Auge, welches vor dem Marmor Kamin aus den fünfziger Jahren zum entspannten Ausruhen einlädt. Auch der Boden ist teilweise mit Marmor-Platten versehen, welche als besonderes Highlight den Grundriss der Villa widerspiegeln. Auf der Terrasse findet man ebenfalls eine Thonet-Sitzgruppe aus der „Thonet All Seasons“ Kollektion vor. Bereits im Jahr 1925 begann die enge Zusammenarbeit von Marcel Breuer und Thonet und prägt die Stahlrohrmöbel des Familienunternehmens bis heute.
Gesamtwerk statt Einzelkunst
Marcel Breuer absolvierte seine Tischlerlehre am Bauhaus Weimar, einer 1919 von Walter Gropius gegründeten Kunstschule. Das Leitbild des staatlichen Bauhauses war, die einzelnen Künste mit dem Handwerk zu verbinden und die Architektur als Gesamtkunstwerk zu sehen. „Das Endziel aller künstlerischer Tätigkeit ist der Bau“ ist bereits im Gründungsmanifest der dokumentiert. Nachdem Marcel Breuer einige Jahre im Büro des Gründers gearbeitet hatte, machte er sich selbständig und flüchtete 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft in die USA. Seine enge Beziehung zu dem Bauhaus-Gründer blieb jedoch bestehen und baute er in Zusammenarbeit mit diesem unter anderem die Architekturfakultät der Harvard University.
Vom Fahrradlenker zum Metallsessel
Die Idee zum Stahlrohr als Rohmaterial hatte Marcel Breuer von Fahrradlenkern. Was banal klingt, wurde zum absoluten Möbelhit. 1928 wurde ein eigenes Stahlrohrprogramm vertraglich zwischen Marcel Breuer und Thonet geregelt, seine Firma „Standard Möbel“ brachte eine eigene Kollektion von Metallmöbeln heraus. Der 1902 in Pécs, damaliges Österreich-Ungarn, geborene Designer hatte im Grunde genommen gar keine reguläre Architekturausbildung, sondern sammelte Praxis im Bauatelier von Walter Gropius. Ein 1920 an der Universität Wien begonnenes Architekturstudium brach er nach wenigen Wochen ab und widmete sich voll und ganz dem greifbaren Schaffen. Marcel Breuers erstes Gesellenstück war der „Toilettentisch der Dame“ für das „Haus am Horn“ in Weimar. Dieser Klassiker ist als Rekonstruktion auch heute noch bei diversen Ausstellungen zu bewundern.
Villa unter Denkmalschutz
Die renovierte Villa Harnischmacher II umfasst 275 m² und steht nach ihrer Renovierung unter Denkmalschutz. Der energieeffizient ausgestattete Bungalow wurde mit dem Ziel saniert, den Großteil der ursprünglichen Form zu erhalten. Damit ist der außergewöhnliche Bau ein bleibendes Andenken an Marcel Breuer und sein Lebenswerk. Er verkörpert den Geist der Bauhaus-Schule von Weimar in Kombination mit klassischen und zeitgenössischen Möbeln des Hauses Thonet, welches bis heute nicht nur die Ideen von Marcel Breuer umsetzt, sondern mit dem Gründungsjahr 1819 zu den weltweit ältesten familiengeführten Möbelherstellern gehört.
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